I.
Im Jahre 2017 war etwa jede 8. Eheschließung binational. Wachsende Mobilität und Migration verstärken den Trend. Der europäische Gesetzgeber hat reagiert. Seit dem 29.01.2019 gilt die Europäische Güterrechtsverordnung (EuGüVO) für alle Eheschließungen nach dem 29.01.2019. Die Verordnung ist nicht nur für binationale Ehen, sondern auch bei international mobilen Ehegatten gleicher Nationalität relevant. Die EuGüVO regelt, welches Recht auf die güterrechtlichen Beziehungen der Ehegatten anzuwenden ist und kann zu unerwünschten Zufallsergebnissen führen. Vorrangig sieht die EuGüVO eine Rechtswahl der Ehegatten durch Ehevertrag vor. Haben die Eheleute keine Rechtswahl getroffen, erfolgt die Bestimmung des anwendbaren Rechts in einer dreistufigen Prüfung:
1.
Grundsätzlich gilt das Recht des Staates des ersten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts nach der Eheschließung. Der gewöhnliche Aufenthalt ist durch eine Gesamtbeurteilung der Lebensumstände beider Eheleute unmittelbar nach der Eheschließung zu ermitteln. Eine Rolle spielt u.a.:
-der Arbeitsort
-die Wohnsituation
-die Absicht, sich in dem Land zu integrieren
-das Vorhandensein von Vermögen, insbesondere von Immobilienvermögen etc.
Insgesamt müssen eine gewisse Beständigkeit und Regelmäßigkeit bejaht werden können.
Entgegen der bisherigen Rechtslage in Deutschland, die in erster Linie auf die Staatsangehörigkeit abstellte, führt dies zu überraschenden Ergebnissen.
Beispielfall
Die Eheleute, beide Deutsche, leben wegen der günstigeren Mieten in der Grenznähe zu Aachen und zwar auf belgischer Seite. Sie haben in Deutschland geheiratet. In Aachen gehen sie auch ihrer Erwerbstätigkeit nach. Nach der bisherigen Rechtslage galt automatisch deutsches Güterrecht, weil beide Ehegatten deutsche Staatsangehörige waren. Wurde kein Ehevertrag geschlossen (das ist in der Praxis der Regelfall), lebten sie demnach im Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Ganz anders sieht die neue Rechtslage aus. Da der Lebensmittelpunkt in Belgien ist, gilt bei einer Heirat ab dem 29.1.2019 belgisches Güterrecht.
2.
Gibt es keinen ersten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltsort, gilt das Recht des Staates der gemeinsamen Staatsangehörigkeit der Eheleute zum Zeitpunkt der Eheschließung. Insoweit wird auf die bisherige Rechtslage zurückgegriffen, die für Ehen galt und gilt, welche bis zum 28.1.2019 geschlossen wurden.
Beispielfall
Die Eheleute sind beide Deutsche. Die Ehefrau, Leiterin einer Werbeagentur, lebt und arbeitet in Rotterdam. Der Ehemann hat in Aachen in der Verwaltung einen Posten in gehobener Position. Keiner von ihnen will seinen Job aufgeben – so weit reicht die Liebe nun doch nicht. Daher führen sie eine Wochenendehe, indem sie wechselnd in Rotterdam und Aachen zusammenkommen.
In diesem Fall würde deutsches Güterrecht aufgrund derselben Staatsangehörigkeit gelten.
3.
Gibt es aber noch nicht einmal eine gemeinsame Staatsangehörigkeit, gilt das Recht der engsten Verbindung zum Zeitpunkt der Eheschließung
Beispielfall
Der belgische Ehemann, der in Brüssel bei der EU eine gutdotierte Position innehat und dort wohnt, heiratet die deutsche Französischlehrerin. Sie hat lange Zeit in Verviers/Belgien gelebt. Dort hat man sich auch kennengelernt und geheiratet. Allerdings war die Ehefrau kurz vorher nach Aachen gezogen, wo sie nun wohnt und arbeitet. Die Eheleute treffen sich regelmäßig fast ausschließlich in Brüssel; die Unterhaltung erfolgt nur in Französisch.
Da die ersten beiden Anknüpfungspunkte (gemeinsamer erster Aufenthaltsort, bzw. gemeinsame Staatsangehörigkeit) nicht greifen, wird vorliegend aufgrund der Herkunft, der gemeinsamen Sprache und des überwiegenden Aufenthaltes belgisches Güterrecht gelten
II.
Verschärft wird die Problematik durch eine Ausnahmeregelung in der EuGüVO (Art. 26 Abs. 3). Grundsätzlich ist das einmal begründete Güterstatut unwandelbar. An den Ergebnissen der obigen Beispiele ändert sich nichts, wenn die Eheleute nach der Hochzeit in ein anderes Land ziehen. Der Güterstand wandelt sich nicht etwa mit dem Ortswechsel automatisch um. Das kann zur Folge haben, dass das Güterrecht eines Staates – des ersten Aufenthaltsortes nach der Eheschließung- anwendbar ist und bleibt, zu dem die Ehepartner später möglicherweise keinerlei Beziehungen mehr unterhalten. Im Fall einer Scheidung kann es aber ebenfalls passieren, dass das Gericht auf Antrag eines Ehegatten von dem ursprünglich begründeten – eigentlich unwandelbaren- Güterstatut abweicht und das Recht des neuen Aufenthaltsstaates zur Anwendung gelangt. Dies kann zu ebenso ungewöhnlichen wie unerwünschten Konsequenzen führen. Diese werden oftmals erst bei dem vielbeschworenen Ernstfall (Tod oder Scheidung) entdeckt.
III.
Fazit: Binationale und international mobile Ehepaare sollten ihre vermögensrechtlichen Beziehungen durch Ehevertrag rechtssicher gestalten. Nur so können sie Zufallsergebnisse und die Anwendung ihnen fremder oder nachteiliger Rechtsordnungen vermeiden. Diese Möglichkeit sieht die EuGüVO vor und räumt der Rechtswahl Vorrang vor den ansonsten geltenden Regelungen ein.
Folgende Möglichkeiten stehen den Eheleuten zu Verfügung:
- Es kann das Recht des Staates gewählt werden, in dem die (späteren) Ehehatten oder einer von ihnen zum Zeitpunkt der Rechtswahl ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort haben/hat
- oder das Recht des Staates, dessen Staatsangehörigkeit einer der Ehegatten zum Zeitpunkt der Rechtswahl besitzt.
Sofern eine dieser Voraussetzungen nicht erfüllt ist, ist die Rechtswahl unwirksam. Eine solche Folge kann sich z.B. ergeben, wenn die Eheleute ihren Lebensmittelpunkt absehbar in einen anderen Staat verlegen und daher das dort geltende Güterrecht schon vorab vereinbaren wollen.
Beispielfall
Der Ehemann ist belgischer Staatsangehöriger. Er hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Brüssel. Die Ehefrau ist luxemburgische Staatsangehörige. Sie wohnt in Luxemburg. Unmittelbar nach der Heirat wollen sie aus beruflichen Gründen nach Deutschland ziehen, weil sie hier hervorragende Jobangebote haben.
Die Eheleute können entweder belgisches oder luxemburgisches, nicht aber deutsches Güterrecht wählen. Keiner von ihnen ist ja Deutscher. Diese Rechtswahl wäre erst dann möglich, nachdem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland begründet haben.
Mitgeteilt von: Dorothea Mast